Samstag, 28. Mai 2022

Von der Flüchtlingsunterkunft in der Olgastraße in das Seniorenzentrum Betzingen

 

Es ist Freitagnachmittag 14.15 Uhr und Schichtende für den Altenpflegehelfer Yohannes Tekle. Eine lange Schicht im Demenzbereich im Betzinger Seniorenzentrum In der Au geht zu Ende. In den vergangenen Stunden hat sich Yohannes Tekle seinen Aufgaben als Altenpflegerhelfer gewidmet. Er hat bei der Körperpflege der hilfsbedürftigen Bewohner und Bewohnerinnen geholfen, Hilfestellung beim Essen gegeben, Medikamente ausgegeben und beim Aufstehen und Ankleiden geholfen. 

Der Altenpflegehelfer Yohannes Tekle im Eingangsbereich des Betzinger Seniorenzentrums

 Als Flüchtling aus Eritrea kam Yohannes Tekle im Jahr 2015 nach Reutlingen. Nach verschiedenen vorläufigen Unterkunftsstationen wie z.B. in der Sporthalle bei der Steinbeisschule kam er in die neu errichteten, containerartigen Flüchtlingsunterkünfte in der Olgastraße in Betzingen. Das Leben in der Olgastraße war nicht einfach für Yohannes und die anderen, die dort einzogen. Es gab Ressentiments der Nachbarschaft gegenüber den neu Hinzugezogenen, deutliche Unzufriedenheit mit dem gewählten Standort, weil sich die Container in Steinwurfweite und bester Sicht- und Hörweite von den sich dort befindlichen Ein- und Zweifamilienhäusern befanden. Es gab Ängste, weil ausnahmslos junge Männer dort einzogen. Ängste von Vätern und Müttern, die sich um ihre Töchter sorgten. Auch wenn diese Ressentiments und Ängste eher verhalten, verdeckt und selten offen manifestiert wurden: Sie waren da.

Eine große Hilfe in dieser Situation war das in jener Zeit von sozial engagierten Betzinger und Betzingerinnen gegründete Cafe International in der ehemaligen Eisenbahnschule. Man veranstaltete in und bei den Containern ein gemeinsames Fest mit alten und neuen „Olgasträßlern“. Zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Abbau – durchaus auch beidseitiger – Vorbehalte. Auch wurde auf Vorschlag des Cafe International im Container ein Aufenthaltsraum für die Bewohner geschaffen, den es zuvor noch nicht gab und der für die Kommunikation untereinander dringend notwendig geworden war. Hauptaufgabe der ehrenamtlichen  MitarbeiterInnen des Cafe International war die Unterstützung beim Deutschlernen, Hilfe  und Beratung der Flüchtlinge. Dorthin konnten sie mit ihren Fragen und Anliegen kommen, dort erfuhren sie Hilfe. Insbesondere bei bürokratischen Problemen, aber auch Hilfe und Tipps in Sachen Weiterbildung und Berufsausbildung.

Und damit zurück zum Betzinger Altenpflegerhelfer Yohannes Tekle und zu seinem Werdegang. 

Während der Altenpflegehelferausbildung für Migranten hat er einen dem Hauptschulabschluss gleichwertigen Bildungsabschluss erreicht. Seine duale Ausbildung zum Altenpflegehelfer hat er zwischenzeitlich erfolgreich abgeschlossen. Zuvor hatte er sich in verschiedenen Praktika andere Berufsfelder angeschaut, dann aber erkannt, dass ihm Altenpflege am besten zusagt. Yohannes absolvierte zudem noch ein freiwilliges soziales Jahr im Seniorenheim. Dort war man so angetan von ihm, dass man ihm einen Ausbildungsplatz anbot.

Er arbeitet sehr gerne mit alten Leuten, spricht auch sehr respektvoll von den ihm anvertrauten Heimbewohnern und hat, wie er sagt, einen hohen Respekt vor dem Alter. Und er liebt die Gespräche mit den alten Leuten. Inzwischen ist sein Deutsch nahezu perfekt. Auch wenn er, wie er sagt „bloß ein bissle Schwäbisch“ sprechen kann, aber fast alles auch im Dialekt versteht. Durch seine Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit erfreut er sich im Betzinger Altenheim einer großen Wertschätzung und Beliebtheit. Er selbst macht die Arbeit im Seniorenzentrum sehr gerne. Er sieht sie auch so, dass er durch seine Arbeit wieder etwas von der vielfältigen Unterstützung, die er in Betzingen erfahren hat, zurückgeben kann.

Yohannes Tekle hat seit seinen Tagen in der Olgastraße Betzingen nicht mehr verlassen. Er ist Betzinger geworden und fühlt sich wohl hier, er hat eine Wohnung hier gefunden. Und er hat Freunde gefunden in der Gemeinde und dem Gemeindekreis  der evangelisch-methodistischen Kirche in der Eisenbahnstraße. Mit ihnen verbringt er einen Teil seiner Freizeit, ansonsten spielt er gerne Fußball, mag Rad fahren und geht schwimmen, sofern das Wetter mitmacht.

BildeRTanzquelle Werner Früh

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