Diesjährige Ausstellung im Museum im Dorf: Betzinger Kinderfeste 1927 - 1968
Von den Schulen ausgerichtete Kinderfeste erfreuten sich namentlich in den 1950er und 1960er Jahren großer Beliebtheit. Derartige Kinderfeste, von der jeweiligen Schulgemeinschaft aus Schülern, Lehrern und Eltern organisiert, fanden hier in der Umgebung in einem festgelegten Zyklus so gut wie in jeder Gemeinde und jeder Stadt statt. In Reutlingen genauso wie in Metzingen, Kirchentellinsfurt oder Wannweil.
Eine besonders lange Tradition in Sachen Kinderfeste kann Betzingen vorweisen, wo vor nunmehr fast 100 Jahren zum ersten Mal ein derartiges Fest für Groß und Klein gefeiert wurde. Dies war 1927 und es gibt noch ein paar wenige alte Fotos die zeigen, dass bereits das erste Kinderfest in Betzingen unter einem bestimmten Motto stand. Damals war es wohl „Fahrzeuge für Kinder“ denn wir sehen auf den Fotos Paraden von Puppenwägen, Dreirädern, Fahrrädern, Radelrutschen und sog. „Holländern“.
Es sollte allerdings über 20 Jahre lang dauern bis wieder ein Kinderfest in Betzingen gefeiert werden konnte. Die neuen Machthaber der 1930er Jahre wollten die Schülerinnen und Schüler eher für ihre eigenen Zwecke und für die Partei einsetzen und in den Jahren des Zweiten Weltkriegs dachte sowieso niemand daran, ein Kinderfest durchzuführen. So dauerte es bis zum Jahr 1949 bis die Betzinger Schule wieder ein Kinderfest auf ihre Agenda setzte. Der Neustart war wohl etwas holperig, etliches lief schief, niemand war so recht zufrieden. Das Fest wurde deshalb gleich im darauffolgenden Jahr wiederholt – diesmal ohne Pannen – so dass der GEA titelte „Betzinger Kinderfest schöner denn je. Das Fest 1950 stand unter dem Motto „Märchen und Sagen“ mit großem Festzug aller Klassen, angeführt vom Betzinger Musikverein.
Nach dem Kinderfest 1950 beschloss die Schule, dass weitere Kinderfeste in einem festen Zyklus von 3 Jahren stattfinden sollen, das nächste also 1953. Dieses fand in unmittelbarem Anschluss an die Jubiläumsfeiern des Musikvereins Betzingen statt. Übergeordnetes Motto war „Circus Krautskragen“ mit einem farbenfrohen und facettenreichen Festzug wie es sich für einen Zirkus gehört. Anschließend gab es auf dem Festplatz Darbietungen einzelner Klassen und für jeden Schüler gab es eine Wurst und einen Wecken, was von fortan bei jedem Kinderfest der Fall war. Überhaupt hatte man nun eine bewährte Blaupause für die Durchführung künftiger Betzinger Kinderfeste gefunden: Bunter Festzug durch den Ort, begleitet durch den Musikverein, danach Spiel- und Tanzdarbietungen einzelner Klassen oder des Schulchors auf dem Festplatz bei der Turnhalle, anschließend gemütliches Beisammensein der Älteren im Festzelt. Ungeachtet des Namens war ein solches Kinderfest auch in weiten Teilen ein Fest für die Erwachsenen, die zum einen zu Hunderten die Straßen säumten und den Festzug bestaunten und zum anderen die Zeit nach dem Umzug und den Schülerdarbietungen nutzten um sich mit Freunden und Nachbarn zu treffen und sich auszutauschen.
Im Mai 1956 fand wiederum ein großes Kinderfest mit Festzug durch Betzingen statt, drei Jahre später folgte 1959 das nächste, 1962 das darauffolgende. Dieses war das Einzige, an dem das Wetter nicht so recht mitmachen wollte, denn es gab immer mal wieder einen Regenguss von oben. Ansonsten war der Wettergott immer den Betzinger Kinderfestlern wohlgesonnen.
Nach den beiden Festen 1965 und 1968 kam das Ende der großen Kinderfeste in Reutlingen. In einer Befragung an allen Reutlinger Schulen kristallisierte sich heraus, dass lediglich eine einzige von allen befragten Schulen für eine Weiterführung von Kinderfesten in der bisherigen Form war. Alle anderen Schulen hielten ein internes Schulfest in einem Zweijahresrhythmus für die bessere und zeitgemäßere Lösung. Als Argumente wurden in der Hauptsache angeführt, dass die Mehrarbeit, die ein solches Kinderfest erfordert, einfach zu groß sei, dass die Schüler zu wenig Hilfe von Elternseite bekämen und dass der ganze Aufwand keinen großen Bildungswert habe. In der Tat steckte sehr viel Arbeit in den Vorbereitungen für ein solches Kinderfest, nicht nur für Lernende und Lehrende. Gefragt waren hierbei auch die Väter und Mütter der Kinder. Das Herstellen von ganzen Schwäbischen Eisenbahnen, die durch die Straßen Betzingens rollen sollten oder ganze
fahrbare Segelschiffe wie bei Käptn Francis Drake der Kartoffeln aus Amerika brachte oder mobile Röntgenstationen wie bei Helfer der Menschheit lässt sich im Klassenzimmer mit Schülern schlecht herstellen. Dazu bedarf es Hilfe, Werkzeug, Maschinen und Know-how von außen, von Vätern. Ähnliches gilt für die Vielzahl der benötigten Kostüme, die wurden in aller Regel von den Müttern geschneidert. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde die langjährige Tradition der Reutlinger Kinderfeste mit einem Beschluss der Schulleiterkonferenz beendet. Die bisherigen großen Kinderfeste mit Festzügen sollten durch kleinere schulinterne Feste ersetzt werden.
BildeRTanzquelle Sammlung Werner Früh
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